Der Weg des Schals
27. Mai 2016 16:28 Uhr

Altkleider: Der Weg des Schals

Man denkt ja gemeinhin so, wenn man alte Kleidung in die entsprechenden Container wirft: Das bekommen dann bestimmte soziale Einrichtungen und die geben es an Bedürftige weiter. Ist ja auch so, stimmt ja auch. Aber das ist nur die halbe Geschichte: Ein Teil dieser Kleider und Stoffe wandert im Anschluss ein Mal um die ganze Welt. Ein Stern-Redakteur hat sich das hier einmal näher angesehen.

Zugegeben, es ist recht unrealistisch, aber nur einmal angenommen: Der FC Bayern München steigt ab. Was soll man dann mit dem alten Fan-Schal machen? Richtig, nicht in den Müll, Stoff wird hierzulande gesammelt und weiterverwendet. Also in den Altkleidercontainer. Die stehen ja in den Städten an jeder vierten Ecke. Und die werden dann vom Roten Kreuz und anderen karitativen Einrichtungen geleert. Für einen guten Zweck. Manches aber, wofür das Rote Kreuz keine Abnehmer mehr findet, wird verkauft. Auch das für einen guten Zweck, wendet das Rote Kreuz Einnahmen ja ebenfalls für Hilfe auf.

Die Abnehmer dieser Stoffe und Kleidung befinden sich hauptsächlich in Indien. Ein Redakteur des STERN hat sich dorthin begeben, in die indische Hafenstadt Kandla, wo sich eine der weltgrößten Firmen befindet, die mit derartigen Stoffen handelt.

Um sich einmal die Größenordnung vor Augen zu führen: Allein in Deutschland wird pro Jahr ein Umsatz von ungefähr 800 Millionen Euro mit Altkleidern gemacht, die Käufer in Indien kaufen etwa 100.000 Tonnen pro Jahr. Und dann wird gesichtet, sortiert, zerschnitten, gefärbt und alles Mögliche auch noch. Das geht, weil in Indien die Lohnkosten sehr viel geringer sind als in Europa. Da keine derartige erhaltene Kleidung aus Indien exportiert werden darf, um den heimischen Kleidermarkt nicht zu zerstören, wird lediglich der Stoff weiterverwendet, unter anderem die Baumwolle des Schals, den der Redakteur bei der Besichtigung dort inmitten eines riesigen Kleiderhaufens gesehen hat. Der war ganz offenbar aus Deutschland. (Nicht, dass das hier für Unruhe sorgt: Bayern München ist nicht abgestiegen, sondern erfolgreich wie eh und je.)

Dort in Kandla wird das alles also wiederaufbereitet und zu neuer Kleidung verarbeitet, die dann wiederum weltweit exportiert wird, nach Afrika, nach Südamerika. Ein Riesengeschäft. Die Baumwolle des Fan-Schals trägt also heute möglicherweise schon ein peruanischer Bauer an den Füßen, falls man daraus zufällig ein paar Socken neu gefertigt haben sollte.